Oder oder Odra 2021
Eine Ruderfahrt auf der Oder ab Breslau. Kaum hatte ich die Info über diese Wanderfahrt bekommen, war ich Feuer und Flamme. Denn 2013 war ich bei der legendären Fahrt mit Helmut Griep von Oppeln (Opole) bis Breslau (Wroclaw) dabei. Nun sollte es also weitergehen.
Über unseren neuen Polen-Experten Hans Tatge meldeten sich immerhin 14 RVW RuderInnen an. Der Fahrtenleiter, Lukasz Kacmarek, war vielen schon von der Masurenfahrt und seinem Besuch in Hameln bekannt. Und auch auf ein Wiedersehen mit zwei alten RVW-Vierern stand bevor. So machten wir uns schon einen Tag vor Fahrtenbeginn mit dem Zug (Harry sei dank) nach Breslau auf.
Das Hotel lag zentral in der Innenstadt und wir erkundeten den Breslauer Ring. Bei einem guten Abendessen in den Breslauer Markthallen stimmten wir uns auf die kommenden Tage ein.
Zu Fuss ging es am Sonntag vom Hotel zum Bootshaus des AZS Wratislavia. Es ist genau der Bootshauskomplex, in dem unser alter Partnerverein, die Breslauer RG, ihr Domizil hatte. 2013 lagen in den Boothallen drei angestaubte Gigboote. Ich dachte an die Worte von Helmut zurück: “ Ich wünsche, dass in diese Hallen wieder ruderisches Leben einkehrt“. Ja lieber Helmut, dieser Wunsch ist erfüllt worden. Wir trafen auf ein Bootshaus voller Leben, Kinder- und Jugendtraining, sehr ordentliches Bootsmaterial und ein toller neuer Anbau mit Kraftraum, Ruderbecken, Ergometerraum, usw. Auch die drei alten Gigboote waren noch da und glänzten in einer Halle. Wir wurden sehr freundlich vom Cheftrainer aufgenommen und herumgeführt. Er war sehr daran interessiert, die Kontakte zum RV Weser wieder aufzunehmen und erhielt eine RVW-Chronik. Aber dann riefen Lukasz und die Pflicht – die Boote mussten aufgeriggert werden. Wir trafen auf unsere alten Boote Hansa und Heinrich der Löwe, der jetzt Sturm (Sztorm) heißt. Gleich bekamen wir einen Eindruck von unserem Fahrtenleiter. Jung, nett, dynamisch – er gab klare Anweisungen, was wir zu tun hatten. Das änderte sich übrigens die gesamte Tour nicht.
Zurück im Hotel trafen wir die gesamte Fahrtengruppe, insgesamt 29 Teilnehmer aus Deutschland und den Niederlanden.
Zum ersten Mal bekamen wir nun Radio Lukasz auf die Ohren – eine Mischung aus Geschichte, aktueller Politik und zum jeweiligen täglichen Ablauf. Nach einer sehr guten Stadtführung ließen wir den Abend in der Hausbrauerei ‚Goldener Hund‘ (Zloty Pies) ausklingen Leider war – wie häufig auf der Fahrt – in der Kneipe sehr früh ‚Zapfenstreich‘.
Der Montag kam und die erste Ruderetappe um Breslau stand bevor. Vorher gab es noch einen offiziellen Akt. Unsere alte Hansa musste umgetauft werden. Hans Tatge gab – natürlich mit einem Glas Wodka – das Boot frei und Lukasz taufte es – mit Wodka – auf den Namen Polarstern (Zorza). Danach gab es für jeden ein Glas Wodka – eine tolle neue Tradition für uns. Neben dem Cheftrainer des Vereins wohnte auch Pawel Randa der Zeremonie bei. Er war Schlagmann des leichten polnischen Vierers, der 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking die Silbermedaille gewonnen hatte. Es war ein große Ehre für Hans Tatge, Peter Dennis, Lukasz und mich, mit ihm in der Zorza durch Breslau rudern zu dürfen. Die Dominsel und der Rand der Altstadt wurden berudert. Leider ist eine Komplettpassage nicht möglich und wir mussten umkehren, um über einen Stichkanal um Breslau herumzukommen. Immerhin fünf Arme har die Oder in Breslau und sie finden sich erst nach der Stadt wieder alle zusammen. Fünf Schleusen waren insgesamt zu bewältigen.In einem Motorboothafen hinter Breslau vertäuten wir die Boote und wurden mit einem Bus ins Breslauer Hotel zurückgefahren. Nach einem Abendessen, einer Stunde Radio Lukasz und einem letzten Kneipenbesuch am Ring war dieser spannende Tag zu Ende.
Am nächsten Tag stand der erste Quartierwechsel an. Lukasz Vater – Grzegorz – war unser Land- und Verpflegungsdienst. Er machte den Job in der gesamten Zeit mit großem Engagement und Liebenswürdigkeit – vielen Dank noch einmal dafür.
Die Oder unterhalb von Breslau ist landschaftlich schön – aber auch sehr einsam. Es gibt – auch aufgrund der nach Breslau fehlenden Schleusen – kaum Schiffsverkehr. So ruderten wir bei herbstlichem Wetter durch einsame Auen und Wälder. Mal zeigte sich ein Fischadler, häufiger ein Angler. Eine Rast wurde meist auf Sandbänken vorgenommen – Wasserschuhe waren Pflicht. Leider wehte fast an allen Tagen ein steifer Gegenwind aus West. Er heisst in Polen ‚Helmut‘.In fast allen Tagen nach Breslau lagerten wir die Boote in Häfen oder Marinas und wurden mit dem Bus, zu Fuss oder dem Taxi ins Quartier gebracht. Vorher gab es das berühmte ‚ungeduscht-Bier‘. Alle Hotels waren sehr gut und leistungsbereit – auch nach unserem Standard mindestens 3 Sterne. Nach dem 3. Rudertag stand ein weiterer Höhepunkt an. Wir übernachteten im Palais Radomilow bei Rudna.Hier fand auch der polnisch/schlesische Abend statt. Die Köchin und gute Seele des Hauses und ihr Team hatte ein tolles Büfett bereitet – schlesische Würste, Bigosch, sehr viele andere Wurst- und Fleischspeisen. Nur für uns und viel zu viel. Das wäre etwas für unseren Bundesliga-Achter. Danach brachte Radio Lukasz ein polnisches Kulturprogramm – Geschichte, Politik und Wodka (sehr gemein – mit Zitrone gemischt). Viele zogen sich rechtzeitig zurück. Die anderen ruderten am nächsten Tag die 45 km bei Gegenwind mit Sonnenbrille. Alle waren froh, dass wir am vierten Tag die alten schlesische Stadt Glogau (Glogow) erreichten. Hier erwartete uns die junge Familie von Lukasz und Klaus Schönhütte fungierte kurzzeitig als Babysitter. Nach dem ‚ungeduscht-Bier‘ ging es zu Fuss ins Hotel. Nach einer Stadtführung duch Glogau gab es am nächsten Tag die Etappe bis Neusalz (Nova Sol). Hier wartete ein ungeduscht-Glühbier auf uns. Na ja, kann man mal probieren.
Schon seit Glogau hatte sich die Oder verändert. Es gab mehr nette Orte und vor allem auch mehr Wassersport-Tourismus. Die Saison war aber zum Glück zu Ende. Und so kamen wir auf der letzten Etappe in die Nähe von Grünberg ( Zielona Gora). Hier wurden die Boote gereinigt – mit sehr unkonventionellen aber effektiven Methoden. Mit klaren Kommandos (z.B. Moskau offen) wurde alles professionell aufgeladen – sehr beeindruckend. Ein letztes ‚ungeduscht Bier‘, letzte Gruppenfotos und ab ins Hotel und zum Abschiedsabend. Nach einer Stadtführung durch Grünberg ging es am nächsten Tag zum Bahnhof und zurück nach Hause.
Eine anstrengende Woche mit vielen Eindrücken ging zu Ende. Luskasz hat es geschafft, uns Polen und seine Geschichte ein Stück näher zu bringen. Eines glaube ich nach dieser Woche und mit vielen interessanten polnischen Leuten fest – Polen ist ein Land der EU und wird in der EU bleiben. PUNKT