Der RVW Nachwuchs 2022

Was ist nur am Bootshaus los? Noch vor einem guten Jahr waren kaum neue Kinder und Jugendliche bei den Jugendterminen zu sehen. Doch das hat sich – zum Glück – gewaltig geändert. Seit einigen Monaten herrscht an den drei Trainingsterminen lebhafte Aktivität. 10-15 junge RuderInnen drängen sich pro Termin um die Betreuer und Richtung Steg. Die Gruppe ist auf rund 25 Aktive angewachsen und es kommen noch weitere hinzu.

Es ist wie immer. Wenn engagierte Betreuer tätig sind, gibt es einen erfreulichen Zulauf. Wolfgang Sauer, Stefan Friedrich, Eric Edler und Keno Garbe haben mit weiteren Helfern die Jugendarbeit wiederbelebt. Zwei Schnupperkurse, persönliche Ansprachen und der bekannte Schneeballeffekt brachten die Arbeit wieder auf Kurs. Neben der Ausbildung standen auch erste Wanderfahrten, Übernachtungen mit Lagerfeuer am Bootshaus, Kentertraining und ‚Faxen auf der Weser‘ sowie erste Regatten im Mittelpunkt.

Beim Bundeswettbewerb in Bremen waren erstmals seit langem mit Hannes Esders und Lasse Günter wieder zwei Kinderruderer des RVW erfolgreich am Start. Das hat Signalwirkung für die ganze Mannschaft. Im nächsten Jahr wird es voraussichtlich wieder einen Renn-Jungenvierer und einen Mädchen-Doppelzweier geben. Und die Aussicht auf einen Achter bei den B-Junioren rückt auch in Reichweite.

Damit das zarte ‚Pflänzchen‘ dauerhaft wächst und gedeiht, sollten unsere Mitglieder sich an dem ‚fröhlichen Lärm‘ am Bootshaus erfreuen und unsere Betreuer unterstützen.

Wer die Jugend in Aktion sehen möchte, sollte sich den Termin der Klütregatta am 3. Oktober ankreuzen. Da werden zahlreichen Rennen – vor allem der berühmte Schokoladenvierer – stattfinden.

Und wer in seinem Freundes – oder Bekanntenkreis noch Kinder und Jugendliche kennt, die sich sportlich neu orientieren wollen – unser Jugend-Team steht bereit.

Die ständig wechselnde Weichsel

Die Vorfreude war groß bei uns. Knapp acht Monate nach der Oder waren wieder 9 Hamelner Ruderer auf dem Weg zu einer Wanderfahrt nach Polen. Leider fehlte der Organisator unserer Zugfahrt nach Thorn (Torun) coronabedingt und wurde durch den Heiligen Geist ersetzt – doch dazu später mehr. Auch der Krieg in der Ukraine geht gerade an Polen nicht spurlos vorbei und begleitete uns natürlich auch.

Thorn an der Weichsel – die erste Gründung des Deutschen Ordens in Polen und Geburtsstadt von Nikolaus Kopernikus übertraf all unsere Erwartungen. Eine fast komplett erhaltene mitteralterliche Stadt. Trotzdem ist die Stadt jung, denn es gibt 40.000 Studenten. Wir erkundeten die Stadt zunächst auf eigene Faust und man machten Bekanntschaft mit der heimischen Küche. Gebackene Piroggen – sehr lecker. Thorn ist außerdem- neben Nürnberg – die Heimat des Lebkuchens.

Am nächsten Tag wurde es offiziell. Lukasz Kacmarek, unser junger, altbewährter Reiseleiter und sein Vater Grzegorz erwarteten uns zum Aufriggern am Wassersportzentrum Thorn. Die Begrüßung war herzlich und wir lernten die RuderInnen aus Deutschland, Frankreich und England kennen, mit denen wir die kommende Woche verbringen wollten. Eine Stadtführung und ein gemeinsames Abendessen rundeten den Tag ab. Dabei lernten wir noch, dass die Bezeichnung ‚alter Lebkuchen‘ für unfreundliche alte Leute steht. Das waren wir natürlich nicht.

Am kommenden Morgen ging es los. Radio Lukasz bereitete uns auf die Weichsel und die erste Etappe vor. Die Weichsel ist Polens längster Fluss und – auch durch die wechselvolle Geschichte – seit dem Mittelalter unreguliert und naturbelassen. Das bedeutet: Finde und umfahre die ‚Schweinchen´. Überall sind Sandbänke – genannt Schweinchen – und man muss schon sehr aufpassen, um sie rechtzeitig zu erkennen und zu umfahren. Zum Glück halfen einige spezielle Schifffahrtszeichen, die aber zunächst gewöhnungsbedürftig waren. Und so wechselt die Fahrrinne der Weichsel von Backbord nach Steuerbord und zurück. Ständig – eine Woche lang. 5 Vierer machten sich auf den Weg zum ersten Etappenziel kurz hinter Bromberg (Bydgoszcz). Durch den Krankheitsausfall wurde immer ein Vierer nur mit vier RuderInnen besetzt und durch den ‚Swietego Ducha‘ – den heiligen Geist komplettiert. Er erleuchtete uns die gesamte Tour – gerudert hat er aber leider nicht.

Gleich auf der ersten Etappe machten wir wieder Bekanntschaft mit der ‚Pause an Sandbank‘ und dem ‚Ungeduscht-Bier‘ nach dem Rudern. Die Übernachtung im Palais von Ostromecko mit einem wunderschönen Park war ein weiteres Highlight der Tour. Am nächsten Tag führte uns der Palastmanager Andrzej GawroÅ„ski noch durch die Räumlichkeiten und auch zum alten Palais, in dem die historische Klaviersammlung von Andrzej Szwalbe untergebracht ist. Als er auf einem 200 Jahre alten Flügel aus St. Petersburg ‚Imagine‘ von John Lennon spielte, mussten viele von uns schlucken. Geschichte ist immer wieder aktuell und oft auch schmerzhaft.

Weiter ging es zum nächsten Etappenziel nach Kulm (Chelmo). Die Stadtführung durch die alte Ordensgründung endete beinahe tragisch. Denn nach dem – nicht so ganz offiziellen – Besuch des Klostergartens der Barmherzigen Schwestern war die große Eingangspforte mit einem schweren Rolltor verschlossen. Niemand war zu sehen und hörte unsere Rufe. Bange Minuten für unsere Ruderinnen, denn keine (auch nicht Steffi) wollte im Kloster blieben. Dann öffnete sich die Pforte – vielleicht war es der Heilige Geist.

Weiter ging es nach Graudenz (Grudziadz) zum Ruderverein Wisla. Auch hier ist der Verein in ein Wassersportzentrum integriert, in dem es auch ein Marina-Hotel gibt. Die Stadtführung durch die mittelalterliche Stadt war kurzweilig und endete für einige in einer netten Bar in der Altstadt.

Der Weg nach Gniew war landschaftlich besonders schön. Mehrere Seeadler beobachteten unsere mittlerweile geschickte Umfahrung der ‚Schweinchen‘. Eine Besichtigung der toll restaurierten Ordensburg und der berühmte polnische Abend (diesmal sogar mit Lagerfeuer) machten diesen Tag perfekt. Wir wussten ja inzwischen, dass man Grzegorz Wodka-Spezialmischung nicht zu intensiv genießen sollte.

Die nächste Etappe nach Tczew schien eigentlich unspektakulär. Aber die Weichsel zeigte diesmal ein anderes Gesicht. Gegenwind aus Norden (genannt Gustav), Wellen mit Schaumkronen und heftige Regenschauer erschwerten die Fahrt. Zwischenzeitlich mussten einige Bootsbesatzungen durchgetauscht werden. Meuterei lag in der Luft. Als nach dieser Etappe noch ein 90 minütiger Spaziergang zum Hotel anstand, waren bei vielen die Akkus leer. Auch Radio Lukasz gab nur ein Kurzprogramm. Vor allem die bevorstehende letzte Etappe machte uns Sorgen. 55 Kilometer bis nach Danzig – und die Wetterprognosen waren schlecht. So schliefen wir alle etwas unruhig.

Doch am Morgen begrüßte uns schönes Wetter und die ersten 30 Kilometer half auch der Heilige Geist – Schiebewind. Dann verabschiedeten wir uns – fünf Kilometer vor der Ostsee – von der Weichsel. Durch die einzige Schleuse der Fahrt ging es in den Kanal nach Danzig. In der Schleuse wurden wir gefragt, wieviel Russen wir an Bord hätten. Uns wurde einmal mehr klar, das die Oblast Kaliningrad nur knapp 100 Kilometer entfernt ist und die Geschichte den Polen nicht immer freundlich mitgespielt hat.

Die Strecke nach Danzig war anspruchsvoll. Gegenwind Helmut aus Westen verlangte uns noch mal alles ab. Trotz einiger Maulereien schafften wir aber alle die Krönung der Fahrt. Mitten durch Danzig, mit Manövern an Hochseefähren, Rettungskreuzern und nachgebauten Piratenschiffen vorbei, direkt unter das Krantor. Hier hielten alle Boote an und präsentierten den zahlreichen Touristen den Queen-Hit ‚We will rock you‘ mit rhythmischem Klatschen an die Bordwände.

Nach zwei weiteren Kilometer endete die Fahrt in einem kleinen Hafenbecken. Abriggern, Bootesäuberung und Verladen nach der Methode Lukasz. Danach ein Gruppenfoto und ein letztes Ungeduscht Bier. Der Abschiedsabend begann sehr spät und einige schliefen beim Essen ein.

Unser letzter gemeinsamer Tag startete mit einem ordentlichen Frühstück und einer launigen Stadtführung durch das alte Danzig. Erstaunlich, was aus einer Stadt gemacht wurde, die zu 95% zerstört war.

Dann hieß es Abschied nehmen. Vielen Dank an Lukasz und Grzegorz für eine beeindruckende Woche durch eine Region mit spannender, wechselvoller und auch aktueller Geschichte. Wir kommen wieder. PUNKT !!!

Oder oder Odra 2021

Eine Ruderfahrt auf der Oder ab Breslau. Kaum hatte ich die Info über diese Wanderfahrt bekommen, war ich Feuer und Flamme. Denn 2013 war ich bei der legendären Fahrt mit Helmut Griep von Oppeln (Opole) bis Breslau (Wroclaw) dabei. Nun sollte es also weitergehen.

Über unseren neuen Polen-Experten Hans Tatge meldeten sich immerhin 14 RVW RuderInnen an. Der Fahrtenleiter, Lukasz Kacmarek, war vielen schon von der Masurenfahrt und seinem Besuch in Hameln bekannt. Und auch auf ein Wiedersehen mit zwei alten RVW-Vierern stand bevor. So machten wir uns schon einen Tag vor Fahrtenbeginn mit dem Zug (Harry sei dank) nach Breslau auf.

Das Hotel lag zentral in der Innenstadt und wir erkundeten den Breslauer Ring. Bei einem guten Abendessen in den Breslauer Markthallen stimmten wir uns auf die kommenden Tage ein.

Zu Fuss ging es am Sonntag vom Hotel zum Bootshaus des AZS Wratislavia. Es ist genau der Bootshauskomplex, in dem unser alter Partnerverein, die Breslauer RG, ihr Domizil hatte. 2013 lagen in den Boothallen drei angestaubte Gigboote. Ich dachte an die Worte von Helmut zurück: “ Ich wünsche, dass in diese Hallen wieder ruderisches Leben einkehrt“. Ja lieber Helmut, dieser Wunsch ist erfüllt worden. Wir trafen auf ein Bootshaus voller Leben, Kinder- und Jugendtraining, sehr ordentliches Bootsmaterial und ein toller neuer Anbau mit Kraftraum, Ruderbecken, Ergometerraum, usw. Auch die drei alten Gigboote waren noch da und glänzten in einer Halle. Wir wurden sehr freundlich vom Cheftrainer aufgenommen und herumgeführt. Er war sehr daran interessiert, die Kontakte zum RV Weser wieder aufzunehmen und erhielt eine RVW-Chronik. Aber dann riefen Lukasz und die Pflicht – die Boote mussten aufgeriggert werden. Wir trafen auf unsere alten Boote Hansa und Heinrich der Löwe, der jetzt Sturm (Sztorm) heißt. Gleich bekamen wir einen Eindruck von unserem Fahrtenleiter. Jung, nett, dynamisch – er gab klare Anweisungen, was wir zu tun hatten. Das änderte sich übrigens die gesamte Tour nicht.

Zurück im Hotel trafen wir die gesamte Fahrtengruppe, insgesamt 29 Teilnehmer aus Deutschland und den Niederlanden.

Zum ersten Mal bekamen wir nun Radio Lukasz auf die Ohren – eine Mischung aus Geschichte, aktueller Politik und zum jeweiligen täglichen Ablauf. Nach einer sehr guten Stadtführung ließen wir den Abend in der Hausbrauerei ‚Goldener Hund‘ (Zloty Pies) ausklingen Leider war – wie häufig auf der Fahrt – in der Kneipe sehr früh ‚Zapfenstreich‘.

Der Montag kam und die erste Ruderetappe um Breslau stand bevor. Vorher gab es noch einen offiziellen Akt. Unsere alte Hansa musste umgetauft werden. Hans Tatge gab – natürlich mit einem Glas Wodka – das Boot frei und Lukasz taufte es – mit Wodka – auf den Namen Polarstern (Zorza). Danach gab es für jeden ein Glas Wodka – eine tolle neue Tradition für uns. Neben dem Cheftrainer des Vereins wohnte auch Pawel Randa der Zeremonie bei. Er war Schlagmann des leichten polnischen Vierers, der 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking die Silbermedaille gewonnen hatte. Es war ein große Ehre für Hans Tatge, Peter Dennis, Lukasz und mich, mit ihm in der Zorza durch Breslau rudern zu dürfen. Die Dominsel und der Rand der Altstadt wurden berudert. Leider ist eine Komplettpassage nicht möglich und wir mussten umkehren, um über einen Stichkanal um Breslau herumzukommen. Immerhin fünf Arme har die Oder in Breslau und sie finden sich erst nach der Stadt wieder alle zusammen. Fünf Schleusen waren insgesamt zu bewältigen.In einem Motorboothafen hinter Breslau vertäuten wir die Boote und wurden mit einem Bus ins Breslauer Hotel zurückgefahren. Nach einem Abendessen, einer Stunde Radio Lukasz und einem letzten Kneipenbesuch am Ring war dieser spannende Tag zu Ende.

Am nächsten Tag stand der erste Quartierwechsel an. Lukasz Vater – Grzegorz – war unser Land- und Verpflegungsdienst. Er machte den Job in der gesamten Zeit mit großem Engagement und Liebenswürdigkeit – vielen Dank noch einmal dafür.

Die Oder unterhalb von Breslau ist landschaftlich schön – aber auch sehr einsam. Es gibt – auch aufgrund der nach Breslau fehlenden Schleusen – kaum Schiffsverkehr. So ruderten wir bei herbstlichem Wetter durch einsame Auen und Wälder. Mal zeigte sich ein Fischadler, häufiger ein Angler. Eine Rast wurde meist auf Sandbänken vorgenommen – Wasserschuhe waren Pflicht. Leider wehte fast an allen Tagen ein steifer Gegenwind aus West. Er heisst in Polen ‚Helmut‘.In fast allen Tagen nach Breslau lagerten wir die Boote in Häfen oder Marinas und wurden mit dem Bus, zu Fuss oder dem Taxi ins Quartier gebracht. Vorher gab es das berühmte ‚ungeduscht-Bier‘. Alle Hotels waren sehr gut und leistungsbereit – auch nach unserem Standard mindestens 3 Sterne. Nach dem 3. Rudertag stand ein weiterer Höhepunkt an. Wir übernachteten im Palais Radomilow bei Rudna.Hier fand auch der polnisch/schlesische Abend statt. Die Köchin und gute Seele des Hauses und ihr Team hatte ein tolles Büfett bereitet – schlesische Würste, Bigosch, sehr viele andere Wurst- und Fleischspeisen. Nur für uns und viel zu viel. Das wäre etwas für unseren Bundesliga-Achter. Danach brachte Radio Lukasz ein polnisches Kulturprogramm – Geschichte, Politik und Wodka (sehr gemein – mit Zitrone gemischt). Viele zogen sich rechtzeitig zurück. Die anderen ruderten am nächsten Tag die 45 km bei Gegenwind mit Sonnenbrille. Alle waren froh, dass wir am vierten Tag die alten schlesische Stadt Glogau (Glogow) erreichten. Hier erwartete uns die junge Familie von Lukasz und Klaus Schönhütte fungierte kurzzeitig als Babysitter. Nach dem ‚ungeduscht-Bier‘ ging es zu Fuss ins Hotel. Nach einer Stadtführung duch Glogau gab es am nächsten Tag die Etappe bis Neusalz (Nova Sol). Hier wartete ein ungeduscht-Glühbier auf uns. Na ja, kann man mal probieren.

Schon seit Glogau hatte sich die Oder verändert. Es gab mehr nette Orte und vor allem auch mehr Wassersport-Tourismus. Die Saison war aber zum Glück zu Ende. Und so kamen wir auf der letzten Etappe in die Nähe von Grünberg ( Zielona Gora). Hier wurden die Boote gereinigt – mit sehr unkonventionellen aber effektiven Methoden. Mit klaren Kommandos (z.B. Moskau offen) wurde alles professionell aufgeladen – sehr beeindruckend. Ein letztes ‚ungeduscht Bier‘, letzte Gruppenfotos und ab ins Hotel und zum Abschiedsabend. Nach einer Stadtführung durch Grünberg ging es am nächsten Tag zum Bahnhof und zurück nach Hause.

Eine anstrengende Woche mit vielen Eindrücken ging zu Ende. Luskasz hat es geschafft, uns Polen und seine Geschichte ein Stück näher zu bringen. Eines glaube ich nach dieser Woche und mit vielen interessanten polnischen Leuten fest – Polen ist ein Land der EU und wird in der EU bleiben. PUNKT

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